Seit zehn Jahren bringen die Klinik-Clowns Abwechslung und Freude in den Alltag der kleinen Patienten. Ihre Arbeit ist nicht immer der pure Spaß.
Tatjana Kapp sitzt auf dem Kinderstuhl im Spielzimmer und studiert die Liste, die sie von der Stationsschwester bekommen hat. Zehn Zimmer gibt es auf der Station „Giraffe“ der Kinderklinik am Mönchberg. Zwanzig Kinder werden Kapp und ihr Kollege Jochen Heil an diesem Nachmittag zum Lachen bringen – und damit deren Heilungsprozess beschleunigen.
Vor zehn Jahren hat die Wiesentheiderin die Klinik-Clowns mit aus der Taufe gehoben. Acht Mitstreiter sind es mittlerweile, die an drei Nachmittagen in der Woche in der Mönchberg- oder in der Uni-Klinik von Zimmer zu Zimmer ziehen. „Manche Kinder warten schon auf uns“, sagt die 44-Jährige.
An diesem Nachmittag sind Kapp und Heil für die Kinder eine willkommene Überraschung. In der Mönchbergklinik ist die Verweildauer in der Regel nicht so groß wie in der Uni-Klinik, wo manche Kinder wochenlang betreut werden. Leukämie oder Krebs lauten dort mitunter die Diagnosen, die Kinder und Eltern verzweifeln lassen. Ein Augenblick der Freude, des Lachens hilft da ungemein.
„Eine Chemotherapie verändert den Patienten“, erklärt die gelernte Krankenschwester Kapp. „Manche Kinder werden mürrisch oder aggressiv.“ Die Klinik-Clowns sind oft der einzige Lichtblick am Tag – auch für die Eltern.
Drei Jahre alt ist Noel Strauß. Im Spielzimmer der Giraffen-Station baut er mit seiner Mama an einer Riesen-Legowand. Die beiden Clowns registriert er im ersten Moment gar nicht, so vertieft ist er in sein Spiel. Dann reibt er sich verwundert die Augen und zieht sich vorsichtshalber in den Kaufladen zurück. „Jedes Kind reagiert anders“, weiß Kapp. Entsprechend vorsichtig nähern sich die Clowns den kleinen Patienten. In ihrer Rolle als Schlawine beziehungsweise JoJo gelingt die Kontaktaufnahme leichter. „Clowns haben das gleiche Wesen wie ein Kind und denken wie sie“, erklärt die 44-Jährige.
In der Regel haben die Clowns schnell einen Draht zu den kleinen Patienten gefunden. So wie bei Noel, der ganz erstaunt das Huhn betrachtet, das Jochen Heil, alias JoJo, unter dem Arm trägt und das gerade ein formidables Ei legt. Noel füttert das Huhn mit Brezeln und Würstchen aus dem Kaufladen und sein helles Kinderlachen schallt bis auf den Flur hinaus, als ihm Schlawine einen aufgeblasenen Luftballon reicht, aus dem sie immer wieder die Luft entweichen lässt.
Klinik-Clowns gibt es mittlerweile in den meisten deutschen Städten. Etwa 100 treffen sich einmal im Jahr in Weimar, um sich auszutauschen.
Einmal im Monat treffen sich die Würzburger Clowns, um sich fortzubilden. Fast alle kommen aus pädagogischen Berufen und haben schon beruflich mit Kindern gearbeitet. „Man braucht ein Gespür für Kinder und muss Situationen immer wieder einschätzen können“, nennt Kapp Voraussetzungen für die Arbeit der Clowns. Auch Bühnenerfahrung hilft.
Tatjana Kapp ist schon vor ihrer Schlawine-Zeit als Clown aufgetreten, in Kindergärten oder bei Vereinen. Nachdem sie einmal in eine Klinik eingeladen war, wusste sie um ihren weiteren Berufsweg. In Hannover absolvierte sie eine Vollzeitausbildung, ging in die Clown-Schule. Dort ist die Figur der Schlawine geboren. „Sie ist ein Stück von mir“, erklärt sie. Tatjana Kapp verkleidet sich nicht, wenn sie zu den Kindern geht. Darauf legt sie Wert. Sie schlüpft in eine andere Rolle. „Und die muss authentisch sein.“
In Zimmer 8 liegt Noah und liest in seinem Donald-Duck-Taschenbuch. Als die Tür aufgeht, schaut er erst ein wenig misstrauisch. „Das hat mir gerade noch gefehlt“, soll der Blick wohl sagen. Wenig später blitzen seine Augen vor Lachen.
Schlawine und JoJo fragen, ob da etwa Glücksschnaps aus seiner Infusion tropft und ob er dafür schon alt genug ist.
Falten können sie jedenfalls nicht auf seinem Gesicht entdecken, dabei muss Noah schon 62 Jahre sein. Diese Zahl steht jedenfalls auf dem Display am Infusionsbeutel. „Man muss flexibel sein und auf Stimmung der Kinder eingehen können“, sagt Jochen Heil, der gelernte Heilpädagoge, der seit einigen Jahren selbstständiger Unternehmer ist. Als Klinik-Clown taucht er in eine völlig andere Welt ein. „Das ist die ideale Ergänzung zum Bürojob“, sagt Heil. „Nach jedem Auftritt sehe ich die Welt nicht mehr so verbissen.“ Noah beißt fast in seine Bettdecke, um nicht lauthals loszulachen, als ihn die beiden Clowns um ein Autogramm bitten. Für ein paar Minuten hat er die Schmerzen und die Eintönigkeit des Klinik-Alltags vergessen. Dann verabschieden sich Schlawine und JoJo . Sie haben noch einiges vor. 18 weitere Kinder warten darauf, dass ihnen die Clowns Freude schenken.